Aus der Perspektive des Kinderhospiz Sterntaler Dudenhofen
Das Kinderhospiz Sterntaler begleitet Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit lebensverkürzender Erkrankung auf ihrem Lebensweg. Unser Ziel ist es, der gesamten Familie einen Ort der Erholung und Regeneration zu schaffen, an dem man durchatmen und Kraft tanken kann.
Das Erreichen dieses Ziels ist über die letzten Jahre immer herausfordernder geworden. Welche Faktoren uns in der stationären Kinder- und Jugendhospizarbeit im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel bzw. Pflegenotstand beschäftigen und wie wir ihnen begegnen, dazu soll der folgende Artikel einen kleinen Einblick geben.
Reduzierte Bettenbelegung
Wir erhalten viele Anfragen von betroffenen Familien, können aber auf Grund von fehlendem Personal nur bedingt darauf eingehen. Der Fachkräftemangel äußert sich so in einer geringeren Bettenbelegung. Die begrenzte Aufnahme von 5-6 jungen Menschen und deren An- und Zugehörigen ist zur Normalität geworden, obwohl 8 Betten zur Verfügung stehen. Wenn weniger Familien aufgenommen werden können, führt dies zu längeren Wartezeiten. Krankheitswellen des Personals – insbesondere in Urlaubszeiten – sowie Spontanaufnahmen junger Menschen in der finalen Phase ihres Lebens aus Kliniken verstärken den Effekt, dass Familien ihren Aufenthalt verkürzt antreten oder gar eine Absage erhalten, weil wir die Versorgung nicht sicherstellen können.
Sinkende Anzahl von Pflegekräften und fehlende Fachkenntnisse durch die generalistische Ausbildung
Die unzureichende Anzahl an Pflegepersonal und fehlende spezifische Fachkenntnisse und -erfahrungen von Pflegekräften in der Versorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit lebensverkürzenden Erkrankungen, veranlasste uns schon früh dazu, unsere Mitarbeitenden fort- und weiterzubilden sowie in spezifischen pflegerischen Tätigkeiten zu schulen. Ehrenamtlich Mitarbeitende und Mitarbeitende des Freiwilligen Sozialen Jahrs (FSJ) unterstützen sowohl das Team der Pflegenden als auch das pädagogische Fachpersonal in der Begleitung bzw. Unterstützung junger Menschen. Sie gehen mit den jungen Menschen oder deren Geschwistern spazieren, Fahrradfahren oder lesen etwas vor.
Generationenwechsel und mangelndes Interesse am Pflegeberuf
Auch der demografische Wandel ist ein großer Faktor in punkto Fachkräftemangel. Die älteren Arbeitnehmer*innen gehen in den Ruhestand, verhältnismäßig wenig neue Fachkräfte kommen nach. Der Beruf der Gesundheits- und Krankenpflege ist aufgrund verschiedener Faktoren weniger attraktiv als noch vor Jahren: Schichtdienste, geringerer Verdienst als vielleicht in einem anderen Sektor, körperliche und ggf. emotionale Belastung usw. halten junge Menschen davon ab, den Beruf zu erlernen. Wenn sie es doch tun, so sind sie unter dem Aspekt der generalisierten Ausbildung als Pflegefachfrau bzw. -mann nicht für die spezielle Versorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Menschen mit lebensverkürzender Erkrankung qualifiziert und mit ihr vertraut. Die stationären Kinder- und Jugendhospize sind gefordert, diesem Dilemma mit eigenen Fort- und Weiterbildungsangeboten entgegenzutreten und selbständig und zeitnah Lösungen zu finden, um die pflegerische Versorgung sicherzustellen. Konkrete Ideen werden aktuell im Leitungstreffen der stationären Kinder- und Jugendhospize bundesweit erörtert.
Themen Krankheit, Sterben, Tod und Trauer
Wir sind uns bewusst, dass ein Kinder- und Jugendhospiz einen besonderen Arbeitsplatz darstellt. Eine Arbeitsstelle einzugehen, in der schwere Krankheit, Sterben, Tod und Trauer Teil des Arbeitsalltags sind, kann eine Hemmschwelle bedeuten. Der Begriff „Hospiz“ in Verbindung mit dem Wort „Kind“ lässt viele überlegen, ob man dies mit sich vereinbaren kann und der Arbeit gewachsen ist. Umso mehr gilt es, das Positive an diesem Arbeitsort herauszustellen. Wir verwenden verschiedene Mittel und Kanäle, um potenzielle neue Mitarbeitende auf uns aufmerksam zu machen: Gute Erfahrung machen wir über persönliche Gespräche, über die wir in den direkten Kontakt mit potenziell Interessierten kommen. Regelmäßig sind wir in (Pflege-)Schulen im Umkreis vertreten, stellen uns vor und berichten von unserer Arbeit. Schüler*innen aus Schulen der Gesundheits- und Krankenpflege verbringen eine Praxiszeit im stationären Hospiz und lernen uns und unsere Arbeit ganz praktisch und direkt kennen. Um Menschen über den direkten Umkreis hinaus zu erreichen, streuen wir unsere Stellenausschreibungen über diverse digitale Jobbörsen und Soziale Medien, wie Facebook oder Instagram. Die althergebrachte Form der Anzeigenschaltung oder das Drucken von Flyern usw. ist längst den digitalen Medien gewichen.
Herausforderung Mitarbeitende finden und halten
Um Mitarbeitende auch langfristig zu halten, müssen stationäre Kinder- und Jugendhospize kreativer werden. Neben finanziellen Anreizen wie Entlohnung nach Tarifvertrag, Schichtzulagen sowie Urlaubs- und/oder Weihnachtsgeld bemühen wir uns, Mitarbeitenden in ihren Wünschen der Gestaltung des Dienstplans entgegenzukommen, wo möglich. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für viele essenziell, um bei uns zu arbeiten. Darüber hinaus wird viel Wert auf das Betriebsklima gelegt. Mitarbeitende, die sich eingebunden, wertgeschätzt und gefördert fühlen, identifizieren sich mit ihrer Arbeit und ihrem Arbeitgeber und haben – trotz und mit allen Herausforderungen – Freude an der Arbeit. Mit dem gesamten Team des Kinderhospiz Sterntaler organisieren wir jährlich einen Betriebsausflug, eine Weihnachtsfeier sowie Supervisionen. Innerhalb der Supervisionen gibt es z.B. auch die Möglichkeit für alle Pflegekräfte einen Teamtag zusammen zu gestalten und zu verbringen. Alle Mitarbeitende haben grundsätzlich die Möglichkeit, eigene Ideen und Wünsche einzubringen und Neues anzuregen. Oftmals entstehen daraus neue Angebote für Gäste, Hilfestellungen für Mitarbeitende, Verbesserungen der Abläufe oder Entlastungssituationen. Manchmal funktionieren neue Ideen nicht oder verlaufen im Sand. Doch auch das ist Teil der Beteiligungs- und Wertschätzungskultur.
Ich bin mir sicher, dass Rücksichtnahme, Vertrauen und Wertschätzung neben den monetären und organisatorischen Aspekten wichtig sind, um Mitarbeitende zu binden und dauerhaft zu halten. Wir freuen uns über jede neue Bewerbung und im besten Fall daraus resultierende Neueinstellung, da dies für uns bedeutet, dass wir die bestehende Versorgung aufrechterhalten können, denn an mehr ist aufgrund der Personalnot manchmal gar nicht zu denken.
Anja Hermann
Geschäftsführerin des Kinderhospiz Sterntaler in Dudenhofen bei Mannheim
(Quelle: Fachzeitschrift des DKHV „Die Chance“ 2023/2024; Seite 124-125)